
ID: 3006
Kategorie: Räume und Infrastrukturen
Akteur*innen-Ebene: Gruppe, Nachbarschaft, Politik, Verwaltung
Strategie-Ebene: Governance
Problem: Monofunktionale Gebiete strahlen keine Lebendigkeit aus und entsprechen nicht den Bedürfnissen der Menschen, die dort wohnen oder arbeiten. Eine starke Trennung unterschiedlicher Lebensbereiche verhindert eine große Identifikation mit dem eigenen Quartier.
Kontext: Die strikte Trennung von Nutzungsmöglichkeiten in Leben, Wohnen und Arbeiten führt zu „toten Orten“, die entweder nur an Werktagen belebt sind oder mit Beginn der Arbeitszeit der Bewohner*innen wie ausgestorben wirken. Lebens-, Arbeits- und Wohnverhältnisse sind vielfältigen Wandlungen unterworfen: Innenstädte werden inzwischen wieder vermehrt als Orte zum Wohnen entdeckt, Industriegebiete werden aufgegeben und für Nutzungen neu konzipiert. In Gewerbegebieten ist Platz für Nachverdichtung vorhanden, aber die Bauordnung ließ lange Zeit nicht in jedem Fall eine Mischnutzung zu. Seit 2017 ist die Kategorie „urbane Gebiete“ im Bauplanungsrecht verankert. Gesetzlich ist es jetzt also möglich, sogenannte urbane Gebiete zu schaffen, in denen unterschiedliche Nutzungen koexistieren. Dadurch wird es möglich, Arbeiten und Wohnen im Quartier oder in einem Gebäude zu verbinden. Neue Orte zum Wohnen entstehen. Erdgeschosse sind dabei die Kernbereiche, die eine Öffnung zwischen Innen und Außen, zwischen Wohnen, Arbeiten und öffentlichem Raum herstellen können.
Urbane Gebiete eröffnen Baugemeinschaften zum einen, andere Flächen in ihre Grundstückssuche miteinzubeziehen. Zum anderen eröffnen sie Möglichkeiten, weitere Akteur*innen in das Konzept von vornherein einzubeziehen. Wenn die Schaffung von Wohnraum in Gebieten, in denen auch Gewerbe vorhanden ist, selbstverständlicher wird, ist es naheliegender, diese auch in Konzepte zu integrieren. Ansprechpartner*innen für Baugemeinschaften in den Verwaltungen können stärker auf solche Gestaltungsoptionen hinweisen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit für Städte im Rahmen der Stadtentwicklung, kulturelle Initiativen, Vereine oder Kleingewerbe mit Baugemeinschaften in Kontakt zu bringen, damit diese gemeinsam die Flächen der Erdgeschosse und gegebenenfalls auch Außenflächen planen können.
Auf diese Weise ist es möglich, durch die Schnittstellen zwischen Verwaltung, Baugemeinschaften und weiteren Stadtmacher*innen, die durch die Zusammenarbeit in diesem Prozess entstehen, Identifikationen mit dem Quartier durch die gemeinsame Planung zu stärken und dadurch auch die Lebensqualität in den Quartieren zu erhöhen.
Lösung: Stärken Sie Kooperationen innerhalb der Verwaltung zwischen Stadtplanung, Wohnungsbedarf und Liegenschaften. Stärken Sie auch Kooperationen zwischen Baugemeinschaften, weiteren Intermediären aus verschiedenen Bereichen und Verwaltung, um quartiersbezogene Erdgeschosse zu entwickeln. Beginnen Sie schon in der Planungszeit, Nutzungskonzepte mit Planer*innen, Bewohner*innen der Gebäude und Nachbarschaft und weiteren wichtigen Akteur*innen zu entwerfen, die z.B. Gewerbe, soziale und kulturelle Infrastrukturen für das Quartier verbinden. Unterstützen Sie aktiv Baugemeinschaften, in dem Sie Gemeinschaftsräume finanziell fördern, die zum Teil oder ganz für das Quartier geöffnet werden. Sammeln Sie Beispiele gelungener Erdgeschossnutzungen, die als Grundlage zur Weiterentwicklung dienen. Sorgen Sie dafür, dass es in der Verwaltung feste Ansprechpartner*innen gibt, die mit den Themen von Baugemeinschaften vertraut sind und sie bei der Entwicklung von Mischnutzungen unterstützen können.
Konsequenzen: Urbane Gebiete lassen unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten zu, die verschiedene Bedürfnisse verbinden können und lebendige Quartiere entstehen lassen.
Beispiel: Die Gruppe der späteren KunstWohnWerke aus München hatte eine lange Odyssee der Grundstückssuche hinter sich. In München ist das Problem der Flächenknappheit schon länger akut. Dies betrifft nicht nur Wohnraum, sondern für Künstler*innen auch die Schwierigkeit, bezahlbare Ateliers in der Stadt zu finden. Diese beiden Bereiche wollte das Projekt verbinden. Bei der Grundstückssuche war die Stadt München durchaus kooperationsbereit und veränderte aus einem reinem Gewerbegebiet die Nutzungsmöglichkeiten so, dass auch die Schaffung von Wohnraum umsetzbar wurde. Dies hatte zur Folge, dass Investor*innen wesentlich mehr Geld für das Grundstück boten und am Ende den Zuschlag bekamen. Für die KunstWohnWerke bedeutete das eine Verlängerung der Suche, da die Stadt die Vergabe nicht an Bedingungen wie z.B. ein bestimmtes Konzept mitbedacht hat. 2010 erwarb die Gruppe im Streitfeld das Gebäude einer ehemaligen Kleiderfabrik im Erbbaurecht; Eigentümerin des Grundstückes ist die Stiftung trias. Der ursprüngliche Plan mit mehr Wohneinheiten konnte nicht vollständig verwirklicht werden, da das jetzige Gebäude zwischen Gewerbe- und Wohngebiet liegt und die Möglichkeit des urbanen Gebiets erst später gesetzlich verankert wurde.
Verbindung zu Muster:
Kommunale Steuerung städtebaulicher Entwicklung; Baugemeinschaften in verschiedenen Stadtgrößen; Erbbaurecht als Instrument; Außenflächen; Synergien bündeln; Gemeinschaftsräume; Leben im Quartier; Konzept verfassen