Der vorliegende Forschungsbericht hat einen explorativen Charakter. Das Ziel der Forschung ist, das Erfahrungs-und Handlungswissen von Baugemeinschaften als Mustersprache aufzubereiten. Diese soll darstellen, welche Konstellationen von Vermittlung notwendig und sinnvoll sind, um das gegenseitige Verständnis zwischen unterschiedlichen Ebenen und Handlungslogiken von Baugemeinschaften, Verwaltungen, Politik und Intermediären zu fördern und wünschenswerte, sich wechselseitig verstärkende strukturelle Dynamiken zu unterstützen.
Stadtentwicklung wird dabei als generativer Prozess der Kokreation zwischen diversen, mit unterschiedlichen Kompetenzen und Reichweite in Handlungsoptionen ausgestatteten Akteur*innen verstanden. Dieser Prozess bedarf eines fluiden Verständnisses von Wissensproduktion. Ähnlich wie sich Intermediäre im Kontext der Stadtentwicklung in generativen, ergebnisoffenen und dynamischen Prozessen der Stadtkoproduktion bewegen, verstehen wir unsere Arbeit als Koproduktion von Wissen in narrativen und kontextgebundenen Prozessen des Verstehens, Interpretierens und Erzeugens von Bedeutungen zwischen vielfältigen Akteur*innen und ihren Konstellationen.
Wissen entwickelt sich immer in historisch gewachsenen Praktiken, die in einen komplexen (gesellschaftlichen, technologischen, psychologischen etc.) Kontext eingebunden sind. Ein solches Wissen beschreiben wir als situiertes Wissen. Wir gehen davon aus, dass nur situiertes Wissen verlässlich sein kann, da es sich innerhalb eines spezifizierten Kontextes und seiner jeweiligen Perspektiven verortet und verkörpert. Wir beziehen uns dabei auf die Wissenschaftsforscherin Donna Haraway, die ausführt:„Ich argumentiere für Politiken und Epistemologien der Lokalisierung, Positionierung und Situierung, bei denen Partialität und nicht Universalität die Bedingung dafür ist, rationale Ansprüche auf Wissen vernehmbar anzumelden“ (Haraway 1995). Wissen, welches seine Verortung nicht offen legt und damit versucht, einen Standpunkt für sich in Anspruch zu nehmen, der außerhalb der Geschichte, und damit auch der Geschichten, in die das Wissen eingebunden ist, liegt, ist Haraway zufolge„wahrhaft phantastisch, verzerrt und deshalb irrational“ (ebd.). Die Situierung und Positionierung von Wissen „impliziert Verantwortlichkeit für die Praktiken, die uns Macht verleihen“ (ebd.).
Wenn Wissen dieserart in den jeweiligen Kontext, die Geschichten, die das Wissen mitkonstituieren, eingebunden wird, dann ist Wissen immer auch Politik und Ethik. Wer seine Situierung offen legt, macht sich zwar verwundbar, doch diese Verwundbarkeit ist notwendig, um einen demokratischen Prozess über die Geltungsansprüche von Wissen zu ermöglichen. Wissenschaft ist nach Haraway immer in die historisch spezifischen, gesellschaftlichen Verhältnisse eingebunden und schafft in Wechselwirkung mit diesen Bedeutung generierende Erzählmuster, die niemals unschuldig im Sinne neutraler, objektiver Forschung sein können. Haraways Konzept situierten Wissens versucht dagegen, Wissenschaft als Dialog zu konzipieren, in dem alle Beteiligten ihre jeweils partialen und begrenzten Stimmen einbringen (Rohr 2004). Wissensproduktion wird dadurch zu einem partizipativen Prozess.
In diesen partizipativen und narrativen Interaktionsprozessen ungleich beteiligter Akteur*innen entstehen Knotenpunkte des gemeinsamen Verstehens, die als Wissen gelten können. Wir haben uns dazu entschlossen, diese Form situierten Wissens als Mustersprache zu dokumentieren. Dadurch wird der Prozess der Wissensgenerierung und der daraus abzuleitende Entwurfsprozess transparent und kann beständig fortentwickelt werden.
Das Forschungskonzept basiert auf diesem Verständnis und initiierte einen partizipativen Prozess narrativen und situierten Forschens und Verstehens. Um diesen Prozess anzustoßen, verfolgen wir nicht vornehmlich empirische Daten, sondern verfolgen mit dem Ansatz der Entwicklung einer Mustersprache Gestaltungsempfehlungen für und über Baugemeinschaften, die das Handlungs- und Erfahrungswissen von Baugemeinschaften, weiteren Intermediären und kommunalen Ebenen zusammenträgt.