iBaugemeinschaften werden als wichtige Akteur*innen und Intermediäre (erklären!) im Stadtraum wahrgenommen. In Interviews mit Kommunen wird dies bestätigt:
„Baugemeinschaften sind ein weiterer Akteur für die Stadtentwicklung, der uns für die Quartiere einen Mehrwert bringen kann. Die Inhalte der Konzepte betreffen unter Umständen nicht nur das Haus selbst, sondern weisen darüber hinaus: Sie wirken in das Quartier anders rein als andere, indem sie als Gruppe und Nachbarschaft auftreten oder im Erdgeschoss Gewerbe anbieten, was andere Bauträger nicht bieten können.“ (K2)
„Die waren ökologisch immer ganz weit vorn und die normalen Investoren haben immer hinterhergezogen. Was ich finde, was sie jetzt neu machen, ist das Thema Geflüchtete: Ganz selbstverständlich integrieren Baugemeinschaften Geflüchtete in ihre Projekte: Ein, zwei Wohnungen für soziale Träger oder Geflüchtete. Da haben sie noch nie Hemmungen gehabt, das zu machen.“ (K1)
Mit der Entwicklung von Baugemeinschaften aus der Nische heraus haben sich parallel Netzwerke und Strukturen gebildet, die es neuen Projekten ermöglicht, auf einen reichen Wissens- und Erfahrungsschatz zurückzugreifen. Alle untersuchten Fallbeispiele haben im Laufe ihres Prozesses mit anderen Baugemeinschaften Kontakt aufgenommen, um eigene Entscheidungen und Auswirkungen besser einschätzen zu können. Ein wichtiges Moment ist, sich gegenseitig zu unterstützen und beratend zur Seite zu stehen. Das Mietshäuser Syndikat, selbst aus Hausprojekten hervorgegangen, ist ebenfalls ein wichtiger Meilenstein, der oft in den Interviews und in weiteren Gesprächen erwähnt wurde. In Städten, wo Vorteile des Syndikats nicht greifen, weil Flächen nicht übermäßig teuer oder ohne größere Schwierigkeiten zu bekommen sind, finanzielle Spielräume in den Baugemeinschaften groß genug und nicht viele Syndikats-Projekte als Beispiele vorhanden sind, werden oft andere Rechtsformen gewählt. Oft gab es Gründe, sich dagegen zu entscheiden, z.B. weil eine Baugemeinschaft die Möglichkeit behalten wollte, Wohnungen zu vererben oder sogar die gleiche Struktur mit Verein und GmbH gewählt hat, trotzdem aber unabhängig vom Syndikat agieren wollte. Das Wissen um das Vorhandensein dieser Struktur scheint aber dennoch eine Wirkmacht zu besitzen, so unsere Interpretation, da es oft als Möglichkeit für die Rechtsform Erwähnung fand.
Ebenfalls sind Stiftungen wie trias und die Edith-Maryon-Stiftung aus der Schweiz für Projektverwirklichung wichtig. Sie sorgen für Strukturen, die über einzelne Projekte hinausweisen: Bodenbesitz und Hausbesitz wird getrennt und Grundstücke werden langfristig aus dem Spekulationsmarkt „freigekauft“. Die Baugemeinschaften haben genügend Freiheiten, ihre Schwerpunkte zu setzen und die Stiftungen sorgen dafür, dass diese Ziele umgesetzt und aufrechterhalten werden können. Entscheidend ist auch, dass Stiftungen und das Mietshäuser Syndikat keinen Gewinn erwirtschaften müssen, sondern Interesse an weitergesteckten Zielen haben: der Boden soll Gemeingut bleiben, indem der Pachtzins für 99 Jahre festgelegt wird. In München und bei der Seume 14 hätten die Gruppen ihr Vorhaben ohne diese Unterstützung nicht umsetzen können.
Neben den Stiftungen, die stark für eine finanzielle Sicherheit und Umsetzbarkeit stehen, haben sich formelle und informelle Netzwerkstrukturen entwickelt: Portale im Internet oder als (teilweise) regelmäßige Treffen organisiert, gibt es in vielen Städten inzwischen Orte, an denen sich interessierte Menschen und Gruppen kennenlernen und zusammenfinden können und bestehende Gruppen darin unterstützt werden, ihre Projekte voranzubringen. In allen Interviews wurde von Anfragen solcher Gruppen in Gründung berichtet, die sich fertiggestellte Baugemeinschaften ansehen und mit Mitgliedern sprechen wollen, um Informationen und Austausch zu haben. Umgekehrt haben die Fallbeispiele selbst auf das Wissen anderer zurückgegriffen. In den Interviews wurde mehrfach geäußert, dass es wichtig wäre, eine solche Form der Strukturen auch auf kommunalen Ebenen zu etablieren. Gleichzeitig wurde in den Interviews und Gesprächen mit Kommunen auch deutlich, dass es auf dieser Ebene zwar Verbesserungen geben soll, sie aber auch darauf hinwiesen, umgesetzte Bauvorhaben und die damit verbundene konkrete Anschaulichkeit kaum anbieten können. Baugemeinschaften werben also durch ihre Existenz als Möglichkeit und sind dadurch auch wirklichkeitsgewordene Machbarkeit.
Über diese Netzwerkarbeit hinaus, die das direkte (interne) Umfeld von Baugemeinschaften betreffen, gibt es den Ansatz in den Stadtraum hineinzuwirken. Dabei können sich Synergieeffekte für verschiedene Akteur*innen ergeben, die z.B. ungewöhnliche Lösungen für „schwierige“ Situationen hervorbringen können. Der Genossenschaft in Bremen wurde ein Grundstück zum Kauf angeboten, neben dem es ein besetztes Haus gab. In der Darstellung der Gruppe waren sie eine „günstige Gelegenheit für die Stadt“, um die Genossenschaft zu unterstützen und parallel dazu eine Situation zu entschärfen, die durch einen externen Investor nicht so leicht zu lösen gewesen wäre.
„Dass die davon ausgingen, das wir mit der G18 klarkommen und gleichzeitig muss man sagen, die 18 ist das einzige besetzte Haus, was hier jemals legalisiert worden ist in Bremen![…] Und ich glaube, die Stadt ist einfach so zwei sehr lästige Sachen auf einen Schlag losgeworden! Also, zumindest in der Geschichte ist es immer so, dass die Anders-Wohnen-Leute immer nerviger wurden, weil sie ständig auf die Ämter sind. Immer in großen Trupps und eigentlich auch gute Sachen hatten- und gleichzeitig konnte man sich das gut auf die Fahnen schreiben: „Wir haben ein Haus legalisiert. Und wir haben ein Wohnprojekt, was auch noch autofrei sein will“ – da sieht schon gut aus.“ (BG1)
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass Baugemeinschaften oft flexibler sind als die Strukturen, die sie umgeben und als eine Art „Spielwiese“ gesehen werden: Gehen neue Konzepte auf, wirken diese auf Strukturen und Herangehensweisen des normalen Wohnungsbaus, indem neue Aspekte integriert werden.
„Wir können Sachen immer ausprobieren. Das ist einfacher bei Baugemeinschaften. Dann lässt man uns so die sogenannte Spielwiese, und wenn das gut läuft, dann kann das auch in den normalen Wohnungsbau einfließen.“ (K1)