Mustersprachen als anwendbares Erfahrungswissen

Die Idee der Mustersprache (pattern language) wurde in den 1970er Jahren von dem amerikanischen Architekten, Mathematiker und Nachhaltigkeitsforscher Christopher Alexander entwickelt (Alexander et al. 1977). Alexander hatte beobachtet, dass sich in gut funktionierenden, lebendigen Städten und Kommunen immer wieder strukturelle Muster entdecken lassen, von denen er annahm, dass sie zur hohen Qualität des Lebens in der Stadt beitragen. Eine gute, lebendige Gestaltung von Städten, so seine Beobachtung, hängt nicht so sehr von architektonischen Strömungen und Konzepten ab, sondern ergibt sich vielmehr aus dem Zusammenspiel von Gestaltung und Nutzung im urbanen Kontext. Muster stellen so Entwurfslösungen dar, die sich für Menschen in einem bestimmten lebensweltlichen Kontext als besonders förderlich erweisen. So, wie wir eine Sprache lernen, um miteinander zu kommunizieren, so erlernen wir auch eine Gestaltungssprache, auf die wir zurückgreifen, wenn wir unsere Umwelten gestalten. Dabei greifen wir auf das zurück, was wir als funktionierend und adäquat wahrnehmen, um eine Aufgabe oder ein Problem gestalterisch zu lösen. Führt die Entwurfslösung zu einer Erhöhung von Lebendigkeit, Nachhaltigkeit und Lebensqualität, spricht Alexander von einem Muster. Diese Muster sind dabei wie die Vokabeln einer Sprache: wir können sie in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich anwenden. Aus der Kombination der Muster ergeben sich immer wieder neue individuelle Gestaltungen. Alexander spricht daher von Mustersprachen. 

Gestalter*innen wie Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Handwerker*innen, aber auch alle Menschen, die als Teil ihrer Alltagstätigkeiten zur Stadtgestaltung beitragen, können auf die Muster zurückgreifen oder auch nicht. In dem Maße wie sie es tun, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse zu Lebendigkeit und Nachhaltigkeit der jeweiligen Projekte beitragen. Muster sind Teil eines kulturellen Kontextes und gemeinsamer Narrationen. Sie stellen damit ein implizites geteiltes kulturelles Wissen dar, wie Stadtgestaltung gelingen kann. 

Muster sind das Gegenteil von Standardisierungen oder Systemen, die nach dem Baukastenprinzip aufgebaut sind. Während jene exakte Vorgaben machen, die bei gleichem Problem in jedem Kontext anzuwenden sind, geht die Theorie der Mustersprachen davon aus, dass für jeden Kontext ein Entwurf entstehen muss, der sich, um zu gelingen, an den Mustern orientieren kann, aber immer eine individuelle Entwurfslösung hervorbringen muss. Muster sind also dadurch charakterisiert, dass sie bei struktureller Gemeinsamkeit eine Vielzahl individueller Gestaltungslösungen ermöglichen. 

Mustersprachen entsprechen als methodisches Werkzeug den Anforderungen an Kontextualität, Situierung, Prozess- und Ergebnisoffenheit, die auch im Bereich urbaner Resilienz- und Transformationsprozesse eingefordert werden. Durch Mustersprachen werden emergente Innovationen durch vernetzte und divergente Akteur*innen möglich und folgen damit einer flexiblen und ergebnisoffenen Stadtentwicklungslogik. 

Muster werden immer in einer strukturierten Form festgehalten, einer sogenannten Mustermaske. Diese funktioniert wie eine Anleitung zum Finden einer eigenen Entwurfslösung für ein gegebenes Problem in einem gegebenen Kontext. 

Wissenschaftlich und erkenntnistheoretisch sind Mustersprachen Werkzeuge zur Strukturierung komplexen Wissens über mehrere Phasen eines Entwurfsprozesses. Sie dienen damit einer situierten Wissensproduktion. Sie halten Ableitungen von empirischen Beobachtungen einzelner gelungener Lösungen fest und verallgemeinern diese als Entwurfsempfehlung. Gleichzeitig sind sie ein Entwurfswerkzeug und helfen den Architekt*innen, Gestalter*innen oder Konzeptentwickler*innen beim Planen neuer individueller Lösungen. Der Entwurfsprozess als kreative Arbeit besteht dann in der Verbindung von Mustern zu Mustersequenzen, die in ihrer Kombinatorik gute Lösungen ermöglichen. Eine Mustersprache ist damit sowohl ein Erkenntnisinstrument als auch ein Werkzeug, das Gestalter*innen hilft, innerhalb von komplexen Aufgaben strukturelle Entscheidungen zu treffen, die spezifisch-konkrete Bedürfnisse ebenso berücksichtigen wie vorhandenes Erfahrungswissen. 

Mustersprachen sind mittlerweile nicht nur in Architektur und Gestaltungsdisziplinen gebräuchlich, sondern insbesondere in der Informationstechnologie (pattern oriented software architecture) und den Sozialwissenschaften (Leitner 2007). Es gibt inzwischen zahlreiche bekannte Mustersprachen zu unterschiedlichen Themen. Neben der ursprünglichen Mustersprache von Alexander werden sie z.B. auf den Bereich der Gemeingüter (Bollier und Helfrich 2015) oder der politischen Kommunikation (Schuler 2008) übertragen.