Lust auf Gruppenprozesse

ID: 2025

Kategorie: Kommunikation und Gemeinschaft

Akteur*innen-Ebene: Baugemeinschaft

Strategie-Ebene: Gruppe

Problem: Viele Menschen haben keine Lust, sich auf langwierige Gruppenprozesse einzulassen: Es wird davon ausgegangen, dass eine Gemeinschaft von alleine entsteht. 

Kontext: Das Leben in Gemeinschaft birgt viele Herausforderungen in sich: Zusammenleben will gestaltet, Konflikte wollen bewältigt und Entscheidungen, die die Gruppe betreffen, müssen getroffen werden. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, braucht es eine Auseinandersetzung mit Gruppenprozessen. Dies geschieht nicht von alleine, sondern muss aktiv von allen mitgestaltet werden.

Je mehr die einzelnen Mitglieder einer Gruppe über sich und die Dynamiken innerhalb der Gruppe wissen, desto leichter fällt die Einschätzung darüber, wohin eine*n das Engagement für die Gruppe führen kann, welche Ziele für die Gruppe wichtig sind und wer auf welche Weise dazu beitragen kann. Sich darauf einzulassen, ist nicht immer einfach, da es sich um einen Prozess handelt, bei dem Emotionen, Bedürfnisse und Dispositionen ans Licht treten können, bei denen man sich zeigen muss und die man mit anderen teilt. Eigentlich gibt es immer schon Vorerfahrungen mit Gruppen, die gut oder schlecht sein können und die das Verhalten von allen in der Gruppe beeinflussen. Methoden aus der Gemeinschaftsbildung (z.B. nach Scott Peck) können eingefahrene Gruppenprozesse, die von ungelösten Konflikten und Problemen bestimmt sind, verändern. Wenn solche Prozesse gelingen, machen sie Spaß und bringen wichtige Erkenntnisse und gemeinsames Lernen hervor.

Lösung: Tauschen Sie sich darüber aus, welche Erfahrungen alle in der Baugemeinschaft mit Gruppen haben: finden Sie heraus, welche Bedürfnisse, Ängste und Wünsche alle mit einem gemeinschaftlichen Leben verbinden. Dabei kann es unterschiedliche Schwerpunkte geben, die die Gruppe insgesamt bereichern kann. Je größer die Kenntnis und das Verständnis für die eigene Rolle innerhalb der Gruppe ist, desto wirkungsvoller können Ziele der Gruppe formuliert und Wege gefunden werden, wie diese Ziel erreicht werden können. Hören Sie sich gegenseitig zu, ohne alles persönlich zu nehmen. Lassen Sie sich gegenseitig Raum für die Verschiedenheiten in der Gruppe. Manche tragen Dinge zum Gruppenleben bei, die nicht sofort ersichtlich sind, aber trotzdem eine wichtige Bedeutung haben.

Nehmen Sie sich in Ihrer Gruppe immer wieder Zeit, um herauszufinden, wer wieviel Raum braucht und an welchen Punkten Sie Dinge gemeinsam tun können. Entdecken Sie durch den Austausch in der Gruppe die gemeinsamen Werte, Träume, Bedürfnisse, die im gemeinschaftlichen Leben Ihrer Gruppe eine Rolle spielen sollen.

Konsequenzen: Menschen in einer Gruppe, die sich gut kennen und sich über gemeinsame Ziele verständigen können, tragen eine große Kraft in sich, die es erleichtern kann, Entscheidungen gemeinsam zu treffen und solidarisch miteinander zu sein. Das Wohlwollen füreinander, das so entstehen kann, trägt Gruppen auch in Krisen oder konflikthaften Situationen.

Beispiel: Das Thema „wie funktioniert unsere Gruppe als Gemeinschaft“ tauchte in fast allen Interviewsituationen bei den untersuchten Baugemeinschaften auf, in denen auch über Gruppenprozesse erzählt wurde. In der WEG Simplon spielte der Gemeinschaftsbildungsprozess in der erzählten Geschichte der Baugemeinschaft vor allem in der Planungs- und Bauphase eine eher untergeordnete Rolle. Die Aufnahme einer Familie in die Baugemeinschaft wurde sogar nur durch ein Foto und eine kurze Beschreibung vollzogen. Das angestrebte Konzept sah eher eine lose Nachbarschaft vor. Nach dem Einzug veränderte sich dies und es entwickelten sich vielfältige Unterstützungsstrukturen, die auch durch den gemeinsamen Innenhof und die Dachterasse sowie durch Kontakte von Kindern im Haus angestoßen wurden. 

Die Brühlpioniere erzählten, wie in der Bauphase Gruppenprozesse angestoßen wurden: „Wir haben beim Bau insgesamt viel miteinander gemacht. Und ich finde, das hat uns schon nochmal ein Stück zusammengebracht, also weg von der Theorie zu hin zu: wir tun tatsächlich jetzt was zusammen. Das war …“ [Ein anderer aus der Gruppe ergänzt:] „Das war schön. Das war wirklich schön.“

Das gemeinsame Tun stärkte die Gruppe in ihrem Gemeinschaftsgefühl und konnte sie durch Konflikte, die bei der Vergrößerung der Genossenschaft entstanden, zuversichtlich bleiben lassen. In den KunstWohnWerken war die Gruppe durch die äußeren Bedingungen mit strukturellen Konflikten konfrontiert, die das Projekt betrafen, die, so erzählte es ein Interviewteilnehmer, durch die Verbindlichkeit innerhalb der Gruppe aufgefangen wurden. In der G17, die als einziges Projekt auf eine lange Zeit mit der Gruppe zurückblicken kann, waren Konflikte und Probleme im Gruppenprozess bei dem geführten Interview ein größeres Thema, bei dem es auch Erfahrungen mit gezielten Methoden wie Mediation im Projekt gab. Gemeinsame Arbeitswochenenden und Wochenendreisen mit dem gesamten Projekt wurden zusätzlich positiv für Gemeinschaftsbildungsprozesse beschrieben.

Verbindung zu Muster:

Szenarien für das Projekt entwickeln

Durststrecken überwinden; Konflikte lösen; Solidarität in der Gruppe; Projektsteuerung; Gruppenbildung/Mitglieder finden; Konzept verfassen; Fähigkeiten entdecken; Konzept umsetzen; Gemeinschaftsräume

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