Auswahl der Fallstudien
Innerhalb der Recherche wurden Baugemeinschaften mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen untersucht. So konnten verschiedene Kontexte und Herausforderungen untersucht werden und im Anschluss daraus vielfältige Lösungsstrategien abgeleitet und erarbeitet werden. In diesem Sinne haben wir uns bei der Auswahl der Fallstudien daran orientiert, verschiedene Stadtgrößen in unterschiedlichen Regionen zu berücksichtigen, die sowohl angespannte als auch entspanntere Wohnungsmärkte zur Voraussetzung haben und verschiedene Rechtsformen beinhalten. Im Zuge der Recherche wurden weitere Parameter ersichtlich, die für die Abbildung existierender Baugruppen (und ihrer Diversität) entscheidend und in die finale Auswahl mit eingeflossen sind:
- Als weitere Orientierungshilfe für die Auswahl wurden vielfach vorhandene Eigendarstellungen der Projekte im Internet herangezogen, da hier oft bereits Konzepte in Ansätzen vorgestellt werden. Dabei spielte z.B. eine ökologische Ausrichtung eine Rolle oder Konzepte zur Einbeziehung unterschiedlicher Gruppen. Hier muss festgehalten werden, dass sich bereits innerhalb der Vorgespräche zu den Interviews zum Teil herausgestellt hat, dass nicht alle geplanten Konzepte umgesetzt wurden oder umgesetzt werden konnten.
- In die Fallstudien wurden unterschiedliche Rechtsformen einbezogen. Zwei Baugemeinschaften haben sich als Wohneigentümergemeinschaft (WEG) gegründet (Köln, Wunschnachbarn und Berlin, Simplon). Genossenschaftliche Projekte (eG) wurden in Bremen (G17 Anders Wohnen), Chemnitz (Brühlpioniere) und München (KunstWohnWerke) aufgesucht. In Bad Salzuflen hat sich das „Bunte Haus“ als Verein (e.V.) konstituiert. Mannheim (13ha Freiheit) und Berlin (Seume 14) sind im Mietshäuser Syndikat als GmbH und Hausverein organisiert.
- Ein weiterer Parameter war der Zeitraum, seit dem die Baugemeinschaften bestehen. Es sind neuere Projekte berücksichtigt worden, da bei ihnen davon ausgegangen werden kann, dass sie aktuelle Gegebenheiten in der Stadtentwicklung und beim Bauen mit einbeziehen. Die Genossenschaft „Anders Wohnen“ in Bremen besteht bereits seit 1995 und stellt ein Beispiel dar, in dem Kontinuitäten und Veränderungen untersucht werden können bzw. auch wie ein Konzept auf lange Sicht verwirklicht wird und Wirkungen herausbildet.
- Art und Weise der Gründung: Alle untersuchten Baugemeinschaften sind aus Eigeninitiative der Gruppen entstanden bis auf die Baugemeinschaft Simplon in Berlin, die durch ein Architektur- und Planungsbüro initiiert und begleitet wurde.
- Gebäude: Bei den acht Baugemeinschaften handelt es sich um vier Neubauten und vier Altbauten. Die bestehenden Gebäude wurden jeweils für die eigenen Bedürfnisse umgebaut und umgestaltet.
Insgesamt wurden acht Baugemeinschaften in sieben Städten aufgesucht. In Berlin sind zwei Projekte besucht worden, wobei ein Projekt keine Baugemeinschaft im „klassischen“ Sinn darstellt. Es handelt sich um ein Projekt des Mietshäuser Syndikats, bei dem Mieter*innen, die bereits ein Haus bewohnten, sich zum Hauskauf entschlossen haben. Dadurch wollten sie den vom Vermieter geplanten Verkauf und damit möglicherweise verbundenen Mietsteigerungen zuvorkommen bzw. diese abwenden.
Bad Salzuflen wurde als Beispiel für eine Baugemeinschaft in einer Kleinstadt ausgewählt. Dieses Projekt sowie die Genossenschaft der Brühlpioniere in Chemnitz sind zudem Beispiele in Städten mit einem entspannten Wohnungsmarkt mit eher niedrigen Immobilienpreisen im Vergleich zu den anderen untersuchten Beispielen. Die beiden Städte verbindet auch die Thematik der Überalterung von der Bevölkerung in der Stadt. Bei den anderen sechs Baugemeinschaften handelt es sich um Projekte in Großstädten, die mit anwachsenden Immobilienpreisen und einem angespannten Marktumfeld konfrontiert sind. Die KunstWohnWerke in München wurden in einem stark angespannten Marktumfeld gegründet, um Künstler*innen Ateliers und Wohnraum in einem Gebäude zu ermöglichen.
Zusätzlich wurden Gespräche und Interviews mit Kommunen durchgeführt. Zwei Interviews wurden aufgenommen und transkribiert. Weitere Gespräche mit Vertreter*innen aus Kommunen wurden telefonisch geführt und die Inhalte durch Gedächtnisprotokolle und Mitschriften festgehalten.
Bei den ausführlichen und aufgezeichneten Interviews mit den Kommunen wurde die Hamburger Agentur für Baugemeinschaften in Hamburg ausgewählt, da sie ein Beispiel darstellt, in dem über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren eine konzeptgebundene Förderung von Baugemeinschaften durchgeführt wird und entsprechend viel Erfahrungswissen vorhanden ist. Das zweite Interview fand in Bremen statt. Dort gibt es seit 2013 die Koordinierungsstelle für gemeinschaftliches Wohnen. Die Stelle ist in der Stadt zwar bekannt, war aber noch nicht in viele Projekte involviert und stellt somit ein Beispiel dar, das noch nicht stark in den Stadtraum hineinwirkt und nach Wegen sucht, wie die Interaktion zwischen wichtigen Akteur*innen verbessert werden kann und somit auch die Situation von Baugemeinschaften.
Entwicklung der Interviewleitfäden
Grundlage für die Interviews war ein Interviewleitfaden, der sich in zwei Teile gliederte:
- Im ersten Teil erzählten die Teilnehmenden über die Geschichte ihrer Baugemeinschaft. Unser Erkenntnisinteresse war, Prozesse über die Gruppen- und Grundstücksfindung, Umgang mit Finanzen, Rechtsformen, das Nutzen gemeinsamer Ressourcen, der Konzeptentwicklung für das eigene Projekt und der eigenen Einschätzung zu nachhaltiger Stadtentwicklung sowie den Umgang mit Netzwerken und Kommunen nachzuvollziehen. Die Darstellung der eigenen Geschichte und das Herausstellen von Schwerpunkten bzw. wichtigen Themen konnte von den Gruppen selber gestaltet werden, sodass die eigene Darstellung der Gruppen im Vordergrund stand. Zusätzlich zu den Leitfäden haben wir A0-große Gesprächsvorlagen zur „Geschichte der Baugemeinschaft“ vorbereitet, um parallel zu den Gesprächen Themen, wichtige Wendepunkte und den Umgang mit diesen von allen gemeinsam zu visualisieren. So wurden die eigene Geschichte und Zusammenhänge sichtbar. Beispiele von ausgefüllten Gesprächsvorlagen finden sich im Downloadbereich . Die Möglichkeit zur Arbeit mit der Gesprächsvorlage ist nicht in allen Interviews gleichermaßen genutzt worden. Zum Teil war es schwierig für die Gruppen, zu erzählen und gleichzeitig die Geschichte aufzuzeichnen.
- Der zweite Teil zielte auf eine partizipative Entwurfsarbeit mit dem Ziel der Entwicklung eines „idealen“ Prozesses für Baugemeinschaften. Anhand der erzählten Geschichten wurden einzelne Aspekte herausgegriffen, reflektiert und mögliche Konzepte, Ideen und Lösungen für bestimmte Punkte entwickelt. Dieser Teil wurde nicht in allen Interviews gleich intensiv durchgeführt, da innerhalb vieler Interviews Teil 1 bereits viel Raum eingenommen hat.
Durchführung der Interviews
Die Interviews fanden jeweils in den Räumen der Projekte statt. Alle Interviews wurden digital aufgezeichnet und anschließend transkribiert. In der Transkription wurde Standardortographie genutzt und Satzbaufehler bereinigt. Zur besseren Lesbarkeit wurde der Stil zum Teil geglättet. Aufgrund von Terminschwierigkeiten innerhalb der Projekte gab es ein Interview mit nur einer Person, bei zwei Interviews waren zwei Vertreter*innen aus dem Projekt dabei. Bei den anderen haben wir Gruppeninterviews mit vier bis sechs Personen durchgeführt. In Mannheim, Chemnitz und Bremen gab es zusätzlich zu den Interviews auch noch Einzelgespräche mit Personen aus den Projekten, die nicht am Interview teilgenommen haben und durch die zusätzliche Einblicke in die jeweilige Baugemeinschaft möglich waren. In fast allen Projekten gab es Hausführungen, durch es die ebenfalls zusätzliche Informationen und Eindrücke gab, die als ergänzende Feldnotizen festgehalten wurden.
Während der Interviewphase wurde deutlich, dass der Ansatz, über Narrative der eigenen Projektgeschichte die Zusammenarbeit mit Intermediären, Kommunen und Potentiale für eine nachhaltige Stadtentwicklung herauszuarbeiten, besonders dann zielführend für die Mustersprache genutzt werden kann, wenn in der Auswertung nicht die einzelnen Projekte als exemplarische Beispiele beschrieben, sondern in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Deshalb haben wir uns in der Darstellung für die Ergebnisse aus den Fallstudien dazu entschieden, anhand verschiedener Parameter die untersuchten Baugemeinschaften darzustellen und viel mit Zitaten zu arbeiten. Dadurch wollen wir auch die Interviewsituation, in der die Gruppen ihre Geschichte auf einer Vorlage mit Symbolen zu ihrer Erzählung visualisierten, nachvollziehbar werden lassen. Im Downloadbereich findet sich eine kurze Übersicht zu Daten und Fakten der einzelnen Baugemeinschaften.