Empowerment

ID: 6033

Kategorie: Vernetzung und Expertise

Akteur*innen-Ebene: Nachbarschaft, Stadt

Strategie-Ebene: Governance

Problem: Menschen ohne viel Eigenkapital setzen wesentlich weniger Baugemeinschaftsprojekte um als diejenigen, die finanziell besser aufgestellt sind oder Gruppen angehören, die „baugemeinschaftsaffin“ sind.

Kontext: Baugemeinschaftsprojekte sind in der komfortablen Situation, eigene Wünsche und Bedürfnisse im Bereich des Wohnens umzusetzen. Sie entwickeln oft innovative Konzepte, die nicht nur den eigenen Lebensbereich gestalten, sondern darüber hinaus positiv für ökologische und soziale Effekte in den Städten sorgen. Es handelt sich also um Wohnformen, die einen Gestaltungsraum eröffnen und an verschiedenste Bedürfnisse angepasst werden können. Oft handelt es sich um Gruppen aus der Mittelschicht, die Projekte umsetzen und um solche, die Möglichkeiten des gemeinschaftliches Wohnens und Bauens bereits kennen. 

Andere Gruppen, die ebenso innovative Ideen umsetzen könnten, scheitern zum Teil an der Finanzierung. Zusätzlich gibt es Gruppen in der Gesellschaft, die wenig oder gar keinen Kontakt zu der Idee von Baugemeinschaften haben. Besonders für Menschen, die auf günstige Mieten angewiesen sind, verkleinert sich der Spielraum von verfügbarem Wohnraum auf angespannten Wohnungsmärkten und zugleich gehören sie zumeist nicht zu denjenigen, die aus eigener Kraft Wohnraum schaffen können. In diesem Feld kann es sich lohnen, Projekte für bisher „untypische“ Gruppen von außen zu initiieren und mit ihnen umzusetzen. Sie brauchen mehr Unterstützung als andere; entscheidend ist in dem Prozess daher eine Begleitung, die bereits vor der eigentlichen Planungsphase beginnt und eine langfristig angelegte Kontaktaufnahme und spätere Gruppenbildung ermöglicht.

Lösung: Durch Vernetzung und Multiplikator*innen werden Kontakte hergestellt, Wissen vermittelt und Befürchtungen und Wünsche in Bezug auf Baugemeinschaften benannt. Suchen Sie Orte auf, an denen Sie Menschen treffen können, die selten selber Baugemeinschaftspro-jekte erfolgreich umsetzen und führen Sie Infoveranstaltungen durch. Lassen Sie sich alle (Initiator*innen, Interessierte, mögliche zukünftige Bewohner*innen) Zeit, Ihre Rollen zu finden und zu definieren, gemeinsam darüber zu reflektieren und einen Zugang zueinander und zu der Idee von der eigenen Baugemeinschaft zu kommen. Bedenken Sie als Initiator*in, dass bestimmte Abläufe und Prozesse nicht selbstverständlich sind, wenn vorher wenig Kontakt dazu bestand. Lassen Sie nicht zu, dass einige wenige die Planung in die Hand nehmen, damit stattdessen ein partizipativer und kokreativer Prozess entstehen kann, der schon in der Planungs- und Bauphase Kontinuitäten entstehen lässt, die später die Gruppe weitertragen. Verwerfen Sie nicht jede ungewöhnliche Idee und seien Sie mutig.

Konsequenzen: Städte, Kommunen und Planer*innen fördern ein nicht-renditeorientiertes Wohnen in aktiver Weise und können so eine nachhaltige Stadtentwicklung gestalten. Menschen, die bisher wenig an Baugemeinschaftsprojekten beteiligt sind, werden in die Lage versetzt, eigene Bedürfnisse beim Wohnen langfristig umzusetzen. 

Beispiel: In Kiel gibt es die Genossenschaft Maro Temm, ein Wohnprojekt für Sinti im Kieler Stadtteil Garden, das 2007 fertiggestellt wurde. Der Name der Genossenschaft bedeutet auf Romanes „unser Land / unserPlatz“. „Am Anfang gab es nur dieses Wort und den Wunsch […] nach einer Wohn- und Lebensperspektive für die Angehörigen der nationalen Minderheit, die deren Bedürfnisse und kulturelle Besonderheiten berücksichtigt“, wird das Projekt auf der Internetseite des Verbands Deutscher Sinti und Roma e.V. (Landesverband Schleswig-Holstein) beschrieben. Das Projekt besitzt Modellcharakter durch die Zusammenarbeit von Sinti und Nicht-Sinti, unterstützt von unterschiedlichen Akteur*innen. Von der ersten Idee bis zur Umsetzung des Projektes vergingen einige Jahre: Nach einer Initiierungsphase gab es eine Machbarkeitsstudie, 2005 war die formale Gründung als Genossenschaft. Trotz finanzieller Unsicherheiten und Unklarheiten im Projektverlauf konnten die Gebäude 2007 fertiggestellt werden. Es gibt einen Gemeinschaftsraum, der auch als Ort für die Nachbarschaft geöffnet wird. Die mehrgenerationelle Genossenschaft hat das Projekt „Kulturbewahrung und Integration“ ins Leben gerufen und trägt dadurch zum einen wesentlich zu einer Begegnungskultur zwischen Sinti und Nicht-Sinti bei und hat zum anderen eine gezielte Förderung der Bewohner*innen, besonders der jüngeren Generation, als Zielsetzung.

Ein anderes Projekt ist Bellevue di Monaco, eine Sozialgenossenschaft, die im Sommer 2018 in München ein Wohn- und Kulturzentrum für Geflüchtete und interessierte Münchner*innen geschaffen hat. Es gibt Wohnungen speziell für junge Geflüchtete, die von der Jugendhilfe betreut werden und Wohnungen für Geflüchtete mit besonderem Bedarf, wie z.B. Familien. Die Häuser wurden für 40 Jahre von der Stadt München an die Genossenschaft verpachtet. Neben der Schaffung von Wohnraum soll das Projekt auch ein Ort und „Forum für Debatten sein, in denen sich die ganze Stadtgesellschaft mit Zukunftsthemen wie Flucht und Migration, Ausgrenzung und Einwanderung, Extremismus und Populismus auseinandersetzt. In einem Café gibt es unter anderem Sprachangebote und eine Rechtsberatung, zusätzlich werden Kulturräume für Workshops geschaffen, in denen ein gemeinsames (Kennen-) Lernen und ein Begegnungsort von Neu- und Alt-Münchner*innen entsteht. Auf die Idee des gemeinsamen Lernens und Tuns wurde auch in der Bauphase Wert gelegt, bei der Geflüchtete in Form bezahlter Praktika mitarbeiteten.

Verbindung zu Muster:

Baugemeinschaft als Akteurin auf dem Markt

Politisch agieren

Szenarien für das Projekt entwickeln

Szenarien für die Kommune entwickeln

Mietraum schaffen; Gemeinschaftsräume; Gruppenbildung/ Mitglieder finden; Erbbaurecht als Instrument; Inklusion/Zugänglichkeit; Unterstützung finanzschwacher Gruppen