Baugemeinschaft als Akteurin auf dem Markt

ID: 1009

Kategorie: Diskussion und Debatten

Akteur*innen-Ebene: Baugemeinschaft, Verwaltung, Politik

Strategie-Ebene: Gruppe, Stadt, Governance

Problem: Baugemeinschaften werden wenig oder gar nicht als Stadtmacher*innen durch Politik und Verwaltung wahrgenommen und erhalten deshalb wenig Unterstützung.

Kontext: Baugemeinschaften können positive Entwicklungen in Quartieren anstoßen und implementieren. Sie geben ihr Wissen und ihre Erfahrungen an neue Projekte weiter, bauen Netzwerke auf und arbeiten mit Stiftungen, Planer*innen und informellen Akteur*innen zusammen. Sie zeichnen sich durch starke Selbstorganisation und Handlungsorientiertheit aus, indem sie ihre Ideen umsetzen und im besten Fall ihr Wohnumfeld so gestalten, wie sie es wünschen. Anders als Investor*innen sind sie auch diejenigen, die selber in die geschaffenen Gebäude einziehen, was zur Folge hat, dass eine größere Identifkation sowohl mit dem Gebäude als auch mit der Umgebung eine Rolle spielt. 

Die Entscheidungen, die für das Konzept, in der Planung und während der Bauphase getroffen werden, haben unmittelbare Auswirkungen auf das spätere Wohnen für die Mitglieder der jeweiligen Baugemeinschaft. Auch wenn die Umsetzung bei verschiedenen Gruppen ganz unterschiedliche Schwerpunkte haben kann – es gibt auch Baugemeinschaften, die „einfach nur wohnen wollen“ – stellt das Modell Baugemeinschaft auf verschiedene Weise einen Motor für neue Wohnformen dar, die von Investor*innen nicht auf die gleiche Weise im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Wollen diese eine hohe Rendite erzielen, sind jene daran interessiert, gemeinsam alt zu werden, Ressourcen zu teilen, günstig wohnen zu können oder einen Ort den eigenen Wünschen gemäß zu gestalten. Dabei beeinflussen sie durchaus Wohnformen außerhalb von Baugemeinschaften durch ihr eigenes Beispiel. Die Antworten bei der Suche nach neuen Solidargemeinschaften, nach Lösungen für bezahlbares Wohnen, die Baugemeinschaften finden, können wichtige Veränderungen für eine gute Lebensqualität in Städten anstoßen. Baugemeinschaften können konventionell oder innovativ, konservativ oder konfrontativ im Stadtraum agieren – in jedem Fall entwickeln sie Handlungs- und Wissensressourcen, die sie anschlussfähig an stadtpolitische Entwicklungen machen. In diesem Sinne sind sie eine wichtige Akteurin auf dem Wohnungsmarkt.

Lösung: Stärken Sie Kooperationen zwischen Verwaltungen, Baugemeinschaftsgruppen und dazugehörigen Netzwerken. Treten Sie durch Runde Tische in einen kontinuierlichen Austausch miteinander, damit Chancen und Risiken von Baugemeinschaften in Bezug auf Stadtentwicklung für alle sichtbar werden können und kommunizieren Sie Ergebnisse und offene Fragen in die Stadtgesellschaft hinein.

Konsequenzen: Werden Baugemeinschaften durch Strukturen in den Verwaltungen gestärkt und in Stadtentwicklungsprozesse integriert, können gute Impulse, die Baugemeinschaften anstoßen oder umsetzen, besser wahrgenommen werden.

Beispiel: Die KunstWohnWerke in München verbinden Wohnen und Arbeiten für Künstler*innen. Die Genossenschaft G17 in Bremen entstand auf einem Grundstück neben einem besetzten Haus und unterstützte die Bewohner*innen dort bei dem späteren Kauf im Rahmen des Mietshäuser Syndikats. Die Seume 14 in Berlin konnte das Haus der Bewohner*innen mit dem Mietshäuser Syndikat langfristig vor dem Verkauf an Investor*innen bewahren. Sie alle sind Beispiele dafür, wie gemeinschaftsorientiertes Wohnen auf unterschiedliche Weise Wirkung zeigen kann: beim Um- und Neubau wurden (z.T. hohe) ökologische Standards berücksichtigt. Alle drei Projekte haben langfristig günstiges Wohnen zur Miete gesichert und wirken darüber hinaus in ihre Quartiere: die Seume 14 ist kurz nach dem Kauf Ansprechpartnerin für weitere Mietshäuser geworden, denen ein Verkauf und damit starke Mietpreiserhöhungen drohten und wirkt in dieser Funktion als Wissensvermittlerin für andere Mietshausgruppen in einer ähnlichen Situation. Die Genossenschaft aus Bremen hat den Kontakt zu neuen Projekten in der Stadt aufgenommen, um sich untereinander zu vernetzen. Durch ihre Arbeit im Urban Gardening Projekt „Lucie“ und weitere Stadtteilaktivitäten einzelner Mitglieder aus dem Haus gibt es weitverzweigte Ansätze, das Quartier und die Wohnraumsituation von Baugemeinschaften mitzugestalten. In München gibt es den Wunsch, die Genossenschaft durch weitere Projekte zu erweitern. Allerdings ist hier der Grundstücksmarkt so angespannt, dass der Plan bisher noch nicht verwirklicht werden könnte.

Verbindung zu Muster: Flächenkonkurrenzen; Bodenpolitik; Erbbaurecht als Instrument; Szenarien für die Kommune; Baugemeinschaften in verschiedenen Stadtgrößen; Politisch agieren; Solidarität in der Gruppe; Baugemeinschaftsorientierte Notare