Akteur*innen und ihre Motivation

Wahl der Rechtsform

Die Wahl der Rechtsform ist in unterschiedlichen Hinsichten für die einzelnen Gruppen entscheidend. Die Gründe für die jeweilige Entscheidung wurden aus verschiedenen Motivationen getroffen. Deutlich wurde in den Interviews, dass die Wahl der Rechtsform Auswirkungen auf die Ausrichtungen und Möglichkeiten der einzelnen Projekte mit sich bringt. Unterschiedliche Rechtsformen bringen ebenso diverse Pflichten mit sich und bedürfen unterschiedlicher Voraussetzungen und Organisationsstrukturen. Häufig hängt die Wahl der Rechtsform von den finanziellen Voraussetzungen der Gruppe ab. Die Rechtsform wiederum entscheidet darüber, wer Teil der Gruppe werden kann. So kann eine Möglichkeit sein, das Grundstück über Erbbaurecht zu erwerben, wie es bei den KunstWohnWerken mit der trias-Stiftung und der Seume 14 durch die Edith-Maryon-Stiftung passiert ist.

Neben sozioökonomischen Gründen entscheidet aber auch der soziokulturelle und soziodemographische Hintergrund mit über die Rechtsform. Die Wahl der Rechtsformen beruhte auch auf klaren Präferenzen, die durch vorhandene Weltbilder, Vorlieben und Erfahrungen in den Gruppen entstanden sind. Bei einigen Baugemeinschaften kam die Wahl durch Beratung durch Netzwerke und Intermediäre zustande. Die Agentur für Baugemeinschaften in Hamburg fördert im Augenblick Baugemeinschaften, die sich als Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) oder Genossenschaften bilden. Beide Konstrukte bieten die Möglichkeit, finanziell gefördert zu werden. Bei den WEG läuft die Förderung über die Eigenheimzulage, bei den Genossenschaften kann eine Unterstützung über sozial geförderten Wohnraum gegeben werden. Einen Einfluss auf Rechtsformen zu nehmen, kann auch als Instrument der Stadtentwicklung eingesetzt werden. 

„Die Idee, die dahintersteckt, ist, dass wir Bestandshalter wollen. Genossenschaften werden in der Regel nicht verkauft, sondern die bleiben. Und wir wollen ja eine langfristige Sicherung der Baugemeinschaften. Das ist die Ursprungsidee. Und bei allen anderen Eigentumsversionen gibt es die Sorge, dass es einfacher verkauft werden kann“ (K1).

Auch wenn die Entscheidung für die Rechtsform im Nachhinein oft eher unproblematisch erscheint, ist es trotzdem ein Thema, das mit Respekt behandelt wird: 

„Die Rechtsform ist erst relativ spät entstanden. Das hatte mit den Verträgen zu tun. Mit dem Kaufvertrag. Vielleicht dachten wir, das ist ein kniffliges Thema, das schieben wir lieber nach hinten“ (BG4).

WohnungsEigentümerGemeinschaften in Köln und Berlin

Bei den als Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) organisierten Baugemeinschaften verfügen alle Mitglieder über ausreichend Eigenkapital. Gleichzeitig ermöglicht dies auch ein architektonisch und ökologisch hochwertiges Bauen. Bei der WEG Simplon in Berlin wurde die Rechtsform durch das Planungsbüro vorgegeben, das auch Initiator der Gruppe war. In die Baugemeinschaft mit einzusteigen, bedeutete, bei der Rechtsform keine Entscheidung treffen zu müssen, gleichzeitig war aber auch insgesamt der Planungsspielraum nicht sehr groß. Die Bewohner*innen konnten über die Wohnungsaufteilung mitentscheiden oder über Materialien per Mehrheitsbeschluss abstimmen. Die Gruppenprozesse verliefen aufgrund des klar gestalteten Rahmens ohne größere Hürden ab, brachten aber auch einen weniger intensiven Kennenlernprozess mit sich. 

Die Wunschnachbarn in Köln, die ebenfalls als WEG organisiert sind, haben ihre Rechtsform über einen Konsensierungsprozess gefunden:

„Es gab auch das Syndikat Modell und die GmbH & Co K.G. Und dann haben wir nicht anhand der Formen diskutiert, sondern anhand der Bedürfnisse der Leute, und da sind wir mit dem Zeiger eher in Richtung WEG gelandet, obwohl wir auch Genossenschaft sehr attraktiv fanden, und haben uns dann konsensmäßig für die WEG entschieden.“ (BG4)

Bei den Wunschnachbarn spielen Gruppenprozesse eine stärkere Rolle und auch die eigene Wirkung nach außen ist schon in der Planung mitgedacht worden. So verfügen die Wunschnachbarn über eine Werkstatt, die zukünftig auch für Außenstehendefrt geöffnet werden soll. Kontakte entstehen auch im neugebauten Quartier auf dem ehemaligen Fabrikgelände durch den gemeinsam geplanten und gestalteten Garten, der mit drei anderen Baugemeinschaften angelegt wurde und genutzt wird.

Genossenschaften in Chemnitz, Bremen und München

Die Entscheidung, eine Genossenschaft zu gründen, war in Bremen und München stark von einer inhaltlichen Ausrichtung geprägt. Bei den KunstWohnWerken sind dabei verschiedene Aspekte wichtig. Tragender Pfeiler ist die Verbindung von Arbeiten und Wohnen. Die Gruppe hatte beim Hauskauf schon eine lange Planungszeit und mehrere gescheiterte Anläufe vor der Genossenschaftsgründung aufgrund des angespannten Grundstücksmarktes in München hinter sich. Diesem „Wahnsinn“ etwas entgegensetzen zu können und langfristige Perspektiven entwickeln zu können, die auch finanziell für alle Genossenschaftsmitglieder tragbar sind, war ein entscheidendes Moment, sich für das Genossenschaftsmodell zu entscheiden.

„Das war eine irrsinnige Anstrengung, eine e.G. zu gründen von allen, die da mitgemacht haben. Und das war dann für uns alle so, dass wir gesagt haben, wir schneiden was aus diesem Wahnsinn raus. Wenn ihr fragt, was hat uns so verbunden: das Wohnen und Arbeiten. Aber das ist das Übergeordnete.“ (BG5)

In Bremen beschreibt eine Interviewteilnehmerin, „wir wollten eine Genossenschaft gründen, die sich selbst verwaltet, so aus einem Selbstbild heraus.“ (BG1) Die Gruppe erzählt, dass die Idee der Genossenschaft früh und aus einer klaren Haltung entstand. „Es war ziemlich schnell klar, dass wir eine Genossenschaft werden wollten. Alle haben eine Stimme.“ Im Genossenschaftsmodell war es auch möglich, für sozial geförderten Wohnungsraum finanzielle Unterstützung zu bekommen, die den Mitgliedern den Hauskauf erleichterte.

Alle Genossenschaftsprojekte betonten, wie wichtig die Unterstützung in Form der Wirtschaftsprüfung durch den Genossenschaftsverband ist, auch wenn es zum Teil als anstrengend empfunden wird. Gleichzeitig wurde auch deutlich, dass die Organisation als Genossenschaft schwieriger wird, wenn die Gruppe nicht groß ist, um den Verwaltungsaufwand bewältigen zu können. Der Sicherheitsaspekt wird dennoch als großer Vorteil empfunden.

Mietshäuser Syndikat: Projekte in Mannheim und Berlin

In Mannheim gab es von der Stadt bereits Erfahrungen mit dem Mietshäuser Syndikat und bei der Grundstücksvergabe an die Baugemeinschaft 13ha Freiheit war die Voraussetzung, dass sich die Gruppe als Syndikatsmodell bildet. Im Gespräch mit einer Bewohnerin, die nicht am Interview teilnahm, wird deutlich, dass es schon in den 1980er und 90er Jahren Versuche in der Stadt gab, Baugemeinschaften zu gründen, die versucht haben, ihr Vorhaben mit dem Mietshäuser Syndikat umzusetzen. Zu dieser Zeit habe die Stadt nicht so offen reagiert. Erst im Zuge der Finanzkrise, als Investoren abgesprungen sind und die Konversionsfläche frei wurde, habe die Stadt sich bewusst auf Baugemeinschaften eingelassen. Ihre Interpretation war, dass frühere Projekte, die am Ende nicht bauen konnten, eine Art Vorarbeit geleistet hätten. Diese führte später dazu, dass die Stadt von sich aus initiativ wurde. 2012 hat die Stadt zur „Wohnprojekte-Börse“ eingeladen, bei der auch ein Vertreter des MietshäuserSyndikats eingeladen war: „Und ab da war das Mietshäuser Syndikat mit im Boot. Da war der Jochen da, der hat da einen Vortrag gemacht und danach hat die Stadt ganz klar kommuniziert, hier Mietshäuser Syndikat-Projekte kommen in diese Geschichte mit rein“ (BG3).

Die Seume 14 stand unter großem Zeitdruck, da nicht klar war, wie schnell der Hausbesitzer den Verkauf vorantreiben wollte. Entscheidend war die Klärung der Frage, wie die Gruppe, die nicht über viel Eigenkapital verfügte, die finanziellen Mittel für den Hauskauf aufbringen könnte. Die Idee, sich an bestehende Genossenschaftsprojekte anzuschließen, ließ sich nicht schnell genug umsetzen. Ausschlaggebend war, dass das Mietshäuser Syndikat die Ansprechpartner*innen hatte, die „am schnellsten reagieren konnten und bereit waren, ein Risiko einzugehen“ (BG8).

„Das Mietshäuser Syndikat kam ziemlich schnell mit ins Spiel. Die SOG [Selbstorganisierte Genossenschaft Ost] und die „FriedrichsHeim-Genossenschaft“ wurden noch vorgestellt. Die FriedrichsHeim hätte uns kaufen sollen. Das hätten wir uns gewünscht. Und letztendlich lief es darauf hinaus, das das Machbarste das Mietshäuser Syndikat in Zusammenhang mit der Edith-Maryon-Stiftung war, […] weil wir sehr sehr schnell sein mussten. Das ging, weil die Stiftung unheimlich hilfreich war. Die hat ganz schnell die Kredite zur Verfügung gestellt, die nötig waren.” (BG8)

Die Bewohner*innen der Seume 14 beschreiben sich als Menschen, für die es untypisch sei, ein Haus zu besitzen:

„Was eigentlich das Verrückte ist: wir sind ein Haus voller „Looser“, Studenten, abgehängte Leute, Hartz4-Leute und studierte Menschen, deren Genialität niemand erkannt hat (lacht). Es ist ein Haus, was so mitteldurchschnittliche Einkommen hat und nicht wahnsinnig reich ist.“ (BG8)

Ausschlaggebend, das Risiko dennoch einzugehen, war das Bewusstsein über steigende Mieten und die Sorge, sich die Wohnungen in Friedrichshain nicht mehr leisten zu können.

Verein als Rechtsform in Bad Salzuflen

Beim Fallbeispiel aus Bad Salzuflen gibt es verschiedene Besonderheiten, die das Projekt von anderen Baugemeinschaften unterscheidet. Ähnlich wie bei der Seume 14 wohnen im Bunten Haus eher finanzschwache Bewohner*innen zur Miete. Das Grundstück und der Hausbau wurden von einem privaten Investor bereitgestellt und finanziert, der großes Interesse an der Idee des gemeinschaftlichen Wohnens hat, ohne selber im Haus wohnen zu wollen. Er wohnt in unmittelbarer Nachbarschaft, und es gibt vielfältige Anbindungen an das Haus, z.B. eine gemeinsame Nutzung der Gästewohnung, die sich im Keller des Hauses befindet. Der Vertrag mit dem Verein, der auf 20 Jahre angelegt ist, sieht vor, dass das Haus von den Bewohner*innen eigenständig verwaltet und vermietet wird. Das als Mehrgenerationenhaus angelegte und im Plus-Energie-Standard gebaute Haus wurde von den Bewohner*innen gemeinsam mit einem Architekten und dem Besitzer geplant. Im Vorfeld der baulichen Planung fand sich die Gruppe durch die Initiative des Investors zusammen, der auch die Gruppenprozesse begleitete. Ursprünglich gab es die Idee, zwei Vereine zu gründen einen zur Unterstützung der Finanzierung des Hausbaus und einen weiteren für die Selbstverwaltung des Hauses. Diese Idee wurde nicht umgesetzt, weil es leichter erschien, alles aus einer Hand durch den Investor zu finanzieren und die zusätzliche Arbeitsbelastung, die mit dem zweiten Verein verbunden gewesen wäre, als hoch eingeschätzt wurde. Die Förderung von sechs Wohnungen als sozialer Wohnungsbau ermöglichte zusätzlich einen Kredit, dass die jetzt gewählte Variante weniger aufwendig in der Umsetzung war.